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Description
Reputation ist für eine wissenschaftliche Karriere im deutschen Wissenschaftssystem zentral. Durch Reputation wird die eigene Arbeit aufgewertet, sie wird verwertbar auf dem eng zulaufenden und stark durch die sogenannte "Bestenauslese" geprägten Weg in Richtung Entfristung, Professur und (inter-)nationalem Ansehen.
In einem solchen akademischen Ökosystem, das von neoliberalen Logiken der Karriere und des Fortschritts durchdrungen ist, fordern wir eine radikale Abkehr von Reputation, Verwertung und isolierender Konkurrenz. Angesichts kollektiver Herausforderungen brauchen wir eine Wissenschaft, die Kooperation und Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt. Unser Ansatz: eine anarchistische Wissen(schaft)spraxis, basierend auf Offenheit und kollektiver Autonomie, als Gegenentwurf zum herrschenden Paradigma.
Die aktuelle Wissen(schaft)spraxis leidet unter Wettbewerb und Exklusivität. Große Verlage monopolisieren Wissen, während ein Kult der "einsamen Exzellenz" und die Angst vor dem Teilen von Daten die Wissenschaftsgemeinschaft fragmentieren. Solche Mechanismen widersprechen nicht nur den Zielen der Wissensentwicklung, sondern untergraben auch die Integrität guter wissenschaftlicher Praxis.
In unserem Denkanstoß skizzieren wir eine neue Wissen(schaft)spraxis, die:
- Autorität dezentralisiert, hierarchische Strukturen zugunsten flacher, dezentraler Organisationsformen aufhebt;
- Forschungspraktiken fördert, die auf Zusammenarbeit basieren;
- offene Plattformen für die Veröffentlichung und Diskussion wissenschaftlicher Arbeiten nutzt;
- alle Formen des Wissensbeitrags anerkennt, von traditionellen Publikationen bis zu digitalen Medienformaten.
Darüber hinaus diskutieren wir Strategien zur Überwindung von Widerständen innerhalb der bestehenden Wissenschaftsinfrastrukturen.
Unser Aufruf zum Handeln zielt darauf ab, die wissenschaftliche Gemeinschaft von der Macht neoliberaler Indikatoren zu befreien und eine Kultur der Zusammenarbeit zu fördern. Eine post-reputationale Perspektive auf Wissenschaft, die Nachhaltigkeit, Inklusivität und kollektives Wohlergehen betont, kann zu einer ethischen Wissenschaftspraxis beitragen, die kollektiven Erkenntnisgewinn und gegenseitige Unterstützung über Verwertungszwänge und spätkapitalistischen Produktionsdruck stellt.