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Description
Der Vortrag erörtert Reputation als Verschränkung von Wissenschafts- und Medienpraktiken zur wechselseitigen Aufwertung durch verschiedene Parteien (wie Forschende und Verlage).
Grundsätzlich verstehe ich die Zurechnung von Reputation als Mechanismus zur Konzentration von Aufmerksamkeit, z.B. auf eine wissenschaftliche Publikation. Auch eine Forscherin, ein Institut oder eine Universität kann als mehr oder weniger reputiert gelten. Reputation wird erst virulent, wenn es ein Konkurrenzfeld, einen Markt gibt, aus dem ein Kandidat – oftmals unter Bedingungen knapper Ressourcen – ausgewählt werden muss. So können Forschende immer nur einen Artikel zur gleichen Zeit lesen, auf einen Lehrstuhl kann nur eine Person berufen werden usw. Die Zurechnung von Reputation unterstützt die Entscheidungsfindung, indem sie einen Kandidaten vorteilhaft aus dem Konkurrenzfeld hervortreten lässt – und zwar oftmals im Vorhinein, also ohne dass seine Leistung also solche bereits begutachtet ist. Reputation in diesem Sinne ist als Vertrauensvorschuss zu verstehen.
Wie können Forschende diesen Vertrauensvorschuss, von dem so viel abhängt, aufbauen? Besonders in den buchgetriebenen Geistes- und Sozialwissenschaften sehe ich die wesentliche Strategie darin, eine Nähe zu bereits Anerkanntem herauszustreichen oder zumindest zu suggerieren, etwa zu etablierten Forschenden oder intellektuellen Linien, Verlagen oder Institutionen. Das soll helfen, implizit oder explizit im Zusammenhang mit bereits erbrachten Leistungen aus der Vergangenheit gesehen zu werden. Die Wissenschaft als typischer Arbeitgebermarkt begünstigt es, Reputation als Indikator und Legitimation für Entscheidungen heranzuziehen. Auf relativ wenige attraktive (unbefristete) Stellen kommen üblicherweise zahlreiche Aspirantinnen. Noch verschärfter dürfte die Situation im Publikationswesen sein, wo unbewältigbare Mengen an Publikationen um die Aufmerksamkeit der Lesenden buhlen.
Reputation muss fortlaufend generiert, vermehrt und verwaltet werden. Dahinter steht ein Wechselspiel, bei dem sich die verschiedenen Parteien gegenseitig aufwerten. Im Vortrag möchte ich dieses Wechselspiel und die oftmals nur implizit anleitenden Prinzipien beispielhaft erläutern, etwa wenn ein Verlag eine neue Reihe etablieren will. Üblicherweise werden dafür etablierte Forschende als „Zugpferde“ eingespannt, die einerseits das intellektuelle Profil der Reihe nach Außen hin vertreten, andererseits für den Zugang von Publikationen sorgen (etwa durch betreute Dissertationen).