9–11 Oct 2024
Mannheim, Schloss
Europe/Berlin timezone

Legal Linguistic Memos mit Large Language Models: Automatisierte Erfassung und Klassifizierung von Sachverhaltsbeschreibungen im Familienrecht

10 Oct 2024, 16:45
1h 15m
O 138 (Fuchs-Petrolub-Saal) (Mannheim, Schloss)

O 138 (Fuchs-Petrolub-Saal)

Mannheim, Schloss

Schloss 68161 Mannheim

Speaker

Margret Mundorf (Universität Heidelberg)

Description

Das Poster stellt ein hybrides Vorhaben an der Schnittstelle von rechtslinguistischer Forschung (Dissertationsvorhaben Universität Heidelberg) und Prototypenentwicklung vor, in dem Daten mit Sachverhaltsbeschreibungen zum Kindeswohl in familiengerichtlichen Verfahren automatisiert erfasst und hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und Relevanz klassifiziert und visualisiert dargestellt werden sollen. Die mithilfe von LLMs und einem kombinierten Ansatz (Finetuning, Retrieval Augmented Generation, kurz: RAG u. a.) vorstrukturierten Daten sollen Familiengerichten eine rasche Orientierung in umfangreichen Gerichtsakten für die juristische Würdigung der Sachverhalte und eine Grundlage für fundierte verantwortliche Entscheidungen zum Wohl des Kindes bieten.

Dazu werden zunächst sprachliche Phänomene in der Domäne des Rechts (Felder & Vogel 2017) sowie in einer textlinguistischen Pilotstudie erhobene sprachliche Auffälligkeiten zur Konstitution und Kommunikation von Sachverhalten im Kindschaftsrecht und daraus resultierende Implikationen für professionelle Akteur:innen im Recht dargestellt (Mundorf 2021). Ausgangspunkt ist zum einen die sozialkonstruktivistische Annahme, dass Fachwissen und die Sachverhalte dieser Wissensdomänen sprachlich konstituiert werden (Felder 2008, Forschungsnetzwerk Sprache und Wissen“), zum anderen, dass sie dabei grundlegenden Perspektivierungsverfahren unterliegen (Köller 2004) und Sachverhalte daher nie vollkommen ‚neutral‘ oder ‚objektiv‘ dargestellt werden können. Eine Analyse der Perspektivierungsmuster und -strategien bei der Vermittlung juristischen Wissens an juristische und nicht-juristische Akteur:innen, Expert:innen und Lai:innen wird als heuristisches Konzept genutzt, um sprachliche Vermittlungsstrategien im Recht zu beschreiben (Mundorf 2024: 277). Diese Erkenntnisse sollen dazu genutzt werden, um Large Language Models durch datengetriebene Analysen mit Fachwissen aus Gerichtsentscheidungen und Daten der Entscheidungsfindung aus Gerichtsakten spezifisch für juristische Anwendungen dezentral zu trainieren und für eine Testphase in familiengerichtlichen Verfahren nutzbar zu machen.

Das Poster gibt Einblick in das laufende Projekt mit einem Ansatz, der rechtslinguistisches Wissen und empirische Studienergebnisse mit der fachspezifischen Datenintegration in verschiedene Open Source-Modelle, einer Visualisierung und Bewertung mittels Graphdatenbanken und regelbasierter Entscheidungsunterstützung verknüpft.

Zielsetzung ist es zum einen, einen methodischen bzw. methodologischen Beitrag innerhalb der Rechtslinguistik mithilfe von Machine Learning-Verfahren und einer Risikobewertung zu leisten, zum anderen eine Brücke zwischen Angewandter Linguistik, Rechtsinformatik und Rechtsanwendung zu schlagen und einen vielversprechenden Ansatz für eine zukunftsfähige Rechtspraxis bereitzustellen.

Literatur

  1. Brodowski, Dominik (2024): Datengestützte Prognose justizieller Entscheidungen. In: Liane Wörner, Rüdiger Wilhelmi, Jochen Glöckner, Marten Breuer und Svenja Behrendt (Hrsg.): Digitalisierung des Rechts: de Gruyter, S. 125–142.

  2. Dahl, Matthew; Magesh, Varun; Suzgun, Mirac; Ho, Daniel E. (2024): Large Legal Fictions: Profiling Legal Hallucinations in Large Language Models. In: Journal of Legal Analysis 16 (1), S. 64–93

  3. Felder, Ekkehard (2008): Das Forschungsnetzwerk „Sprache und Wissen“: Zielsetzung und Inhalte. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 36 (2), S. 270–276.

  4. Felder, Ekkehard; Vogel, Friedemann Vogel (Hrsg.) (2017): Handbuch Sprache im Recht. Berlin / Boston: de Gruyter.

  5. Mundorf, Margret (2021): Recht autobiografisch. Schreibkompetenz, Sprachbewusstheit und (Selbst-)Reflexivität in Aus- und Weiterbildung. In: Renata Behrendt und David Kreitz (Hrsg.): Autobiografisches Schreiben in Bildungskontexten. Konzepte und Methoden. Stuttgart: wbv/UTB (Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft), S. 169–185.

  6. Ji, Ziwei; Lee, Nayeon; Frieske, Rita; Yu, Tiezheng; Su, Dan; Xu, Yan et al. (2023): Survey of Hallucination in Natural Language Generation. In: ACM Computing Surveys 55 (12), S. 1–38.

  7. Köller, Wilhelm (2004): Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin: de Gruyter.

  8. Mundorf, Margret (2024): Recht vermitteln. Perspektivität in der Vermittlung juristischen Wissens in Fort- und Weiterbildung. In: Katja Leyhausen-Seibert, Anna Menzel und Friedemann Vogel (Hrsg.): Wissen in Recht und Sprache – Viele Stimmen, vage Grenzen. Berlin: Duncker & Humblot (Sprache und Medialität des Rechts), S. 257–285.
  9. Vogel, Friedemann (2024): Der Richter, (k)ein Bot?! In: Liane Wörner, Rüdiger Wilhelmi, Jochen Glöckner, Marten Breuer und Svenja Behrendt (Hrsg.): Digitalisierung des Rechts: De Gruyter, S. 9–26.
  10. Wu, Kevin; Wu, Eric; Zou, James (2024): How faithful are RAG models? Quantifying the tug-of-war between RAG and LLMs' internal prior. Online verfügbar unter https://doi.org/10.48550/arXiv.2404.10198.

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